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"Von echter Entspannung sind wir noch weit entfernt"

Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln, spricht im Interview über die Sorgen der Händler während der Corona-Krise, die Nachhaltigkeit des Booms bei Lebensmittel-Lieferdiensten und die Auswirkungen der Krise auf seine eigene Arbeit am Institut.

Portrait Dr. Kai Hudetz

Von Schockstarre und Hamsterkäufen über Erleichterung bis hin zu langfristiger Verunsicherung: Konsumenten in Deutschland haben seit Beginn der Corona-Krise bereits verschiedene Stadien durchlaufen. Über diese Phasen, die kurz- und langfristigen Auswirkungen auf den Handel sowie den eigenen beruflichen Umgang mit den neuen Herausforderungen hat MEDIA Central mit Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH, gesprochen.

Herr Dr. Hudetz, mit welchen Ängsten, Sorgen oder auch Fragen kommen Händler derzeit auf Sie zu?

Die Sorgen sind in den meisten Branchen definitiv groß und existenziell – auch trotz der jetzigen Lockerungen. Schließlich lagen die Umsätze auf der Fläche - außerhalb des LEH und der Drogerien – lange faktisch bei Null, da die Geschäfte geschlossen waren. Auch jetzt sehen wir nur rund 40 Prozent der Kundenfrequenz, die wir vor der Krise hatten. Die Kundinnen und Kunden verweilen kürzer in den Geschäften und kaufen meist zielgerichtet nur das, was sie unbedingt brauchen. Von echter Entspannung ist die Handelsbranche also noch weit entfernt. Profitieren konnten neben dem LEH und den Drogerien vor allem die Baumärkte sowie sämtliche Anbieter technischer Ausstattung für das Homeoffice.

Inwiefern konnten die fehlenden Umsätze auf der Fläche durch den E-Commerce kompensiert werden?

Für die meisten Branchen waren die Verluste auf der Fläche unmöglich zu kompensieren. Das liegt vor allem an einem generellen Konsumverzicht in einer Situation, in der die Konsumentinnen und Konsumenten ihr Geld lieber zusammenhalten wollen. Ganz besonders deutlich wird das in der Modebranche, in der selbst große Shops wie Zalando hohe Verluste einfahren. Warum soll ich mir als Konsument schöne Kleidung kaufen, wenn ich sie ohnehin niemandem vorführen kann? Profitieren konnte vor allem Amazon, aber auch Ebay oder Otto. Also große Shops mit einer breiten Produktpalette, hoher Bekanntheit und hocheffizienten Prozessen sowie Logistik. Covid-19 hat hier zu einer Beschleunigung des Konzentrationsprozesses beigetragen. Der Marktanteil von Amazon im B2C-Bereich lag vor der Krise in Deutschland bereits bei 46 Prozent, nun sind es 50 Prozent.

Wie sieht es denn im LEH aus? Konnten Lieferdienste wie Picnic die Krise für sich nutzen und wie nachhaltig wird das sein?

Ja, diese Dienste konnten anfangs definitiv von der Krise profitieren. Doch was passiert, wenn sich die Menschen zunehmend an den Einkauf mit Maske gewöhnen? Sind die Konsumentinnen und Konsumenten dann noch bereit, für den Lieferdienst zu bezahlen oder sich auf bestimmte Lieferzeiten festzulegen? Deutsche Konsumentinnen und Konsumenten sind sehr preissensibel. Ich bezweifle deshalb, dass Lieferdienste kurz- und mittelfristig erfolgreich im Massenmarkt sein werden. Das hat selbst Amazon mit „Fresh“ nicht geschafft. Interessanter könnten diese Dienste meiner Meinung nach höchstens in ländlichen Regionen sein, wo der nächste Supermarkt weit entfernt ist. In den Ballungszentren läuft es wohl eher auf einen absoluten Premium-Service für Kundinnen und Kunden hinaus, die bereit sind, für diese Bequemlichkeit zu bezahlen.

Wie hat sich Ihre eigene Arbeit am IFH durch die Krise verändert? Sie mussten ja zahlreiche Veranstaltungen absagen…

Ja, das stimmt. Wir hatten im vergangenen Jahr rund 230 größere und kleinere Veranstaltungen. Dieses Jahr liegen wir bisher bei zirka 40, der Rest musste nun zunächst einmal bis September abgesagt werden. Wir versuchen dennoch über Webinare oder virtuelle Roundtables den Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden zu halten. Teilweise machen wir bis zu fünf Webinare pro Woche. Mit den Teilnehmerzahlen sind wir sehr zufrieden und die Webinare helfen uns, Umsatzverluste aufzufangen. Denn die Zahl der Projektaufträge ist natürlich in der Krise zurückgegangen. Stark angestiegen ist dafür die Zahl der Presseanfragen.

Hinweis:
Im Rahmen der „ECC Webinar Days“ bietet das IFH fortlaufend spannende Webinare an:

Am Dienstag, 19. Mai, um 14 Uhr zieht Dr. Kai Hudetz in „COVID 19 und der Handel“ ein Resümee der vergangenen Krisen-Wochen. Wie hat sich das Konsumentenverhalten in dieser Zeit verändert? Was bedeutet das für den stationären Einzelhandel? Welche Auswirkungen hat Covid-19 auf die Innenstädte? In wieweit ist der Großhandel auch betroffen? Und was kommt nach der Krise?

Am Dienstag, 26.Mai, um 14 Uhr präsentieren Experten des CMS-Herstellers sitecore, der Digitalagentur ecx.io und dem ECC Köln die Ergebnisse des „Corona Consumer Checks“ und zeigen auf, wie sich die Lockerungsmaßnahmen auf das Konsumentenverhalten auswirken.

Beide Webinare sind kostenfrei.